"Irritationen durch eine Überschrift"
Er habe sich überhaupt nicht zu Personalien geäußert, hieß es in einer am Freitag von der brandenburgischen Staatskanzlei veröffentlichten Pressemitteilung. Vielmehr habe eine Überschrift einer DPA-Meldung für Irritationen" gesorgt. In der Mitteilung der Staatskanzlei vom 1, August heißt es wörtlich:
"In einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa kam es im Nachgang am 1. August 2025 zur Veröffentlichung einer Überschrift, die inhaltlich nicht durch die im Interview getätigten Aussagen gedeckt ist.
Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke sagte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Bezug auf die Verfassungsrichterwahl: „Ich halte es für nötig, dass die Fraktionen im Bundestag schnell einen Ausweg aus dieser Situation finden und einen Lösungsvorschlag unterbreiten.“ Woidke sagte weiter: „Dieser Ausweg kann aus meiner Sicht nur darin bestehen, dass alle Kandidaten zurückgezogen werden und dieses Verfahren durch die Fraktionen im Deutschen Bundestag völlig neu aufgesetzt wird.“ Und zu Frau Brosius-Gersdorf hat er Folgendes gesagt: „Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass eine qualifizierte Kandidatin in derartiger Art und Weise von Teilen der CDU/CSU diskreditiert worden ist.“
Aus dieser Antwort lässt sich ausdrücklich nicht ableiten, dass bisherige Kandidatinnen und Kandidaten, wie beispielsweise Frau Brosius-Gersdorf in einem solchen neuen Verfahren nicht wieder aufgestellt werden sollten oder können.
In seinem Statement brachte Herr Dr. Woidke sein Unverständnis im Umgang mit Frau Brosius-Gersdorf zum Ausdruck. Wenn auf diese Weise ein Verfahren für die Wahl einer Verfassungsrichterin so beendet wird, ist es geboten, ein neues Verfahren durch die Fraktion im Deutschen Bundestag aufzusetzen. Er hat sich in keiner Weise zu Personalien geäußert."
Die beiden SPD-Co-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Bärbel Bas hatten schon früher unmissverständlich klargestellt, dass sie an der zur Wahl als Bundesverfassungsrichterin nominierten Brosius-Gersdorf festhalten werden. Sie hatten zugleich der Forderung von Söder, die Kandidatin zurückzuziehen und einen neuen Vorschlag in einer neuen neu aufgestellten Liste zu unterbreiten, eine deutliche Absage erteilt.
Woidke-Vorschlag löste Unmut aus
Der Vorstoß Woidkes kam nach Einschätzung in SPD-Kreisen zur Unzeit. Er hätte, weil bei der Bundestagsentscheidung ohnehin unzuständig, besser schweigen sollen. Aus Fraktionskreisen und im Willy-Brandt-Haus wurde mit Unmut darauf hingewiesen, der brandenburgische Ministerpräsident solle sich besser raushalten, zumal er in seinem Bundesland doch ohnehin schon genug Probleme zu bewältigen habe. Nach Äußerungen von Bundeskanzler Merz und Kanzleramtsminister Thorsten Frei (beide CDU), die den diffamierende Umgang - auch innerparteilich - mit der Verfassungsrechtlerin Brosius-Gersdorf als "inakzeptabel" (Merz) und als "Unrecht" (Frei) kritisiert hatten, gehen die Sozialdemokrat:innen von einem Einlenken der Union aus. Bundeskanzler Merz hatte vor der Bundespressekonferenz am 18. Juli eine Abkühlung empfohlen und seine Haltung in der Sache offengelassen. Die SPD-Führung hatte die Union aufgefordert, mit Brosius-Gersdorf ein klärendes Gespräch zu führen, um so eventuelle Bedenken auszuräumen.
Nach wie vor kann die Union nicht daran vorbeikommen, dass ihre Parteispitze mit Merz und Fraktionschef Jens Spahn die Personalie im Vorfeld der Sitzung des Bundestags-Richterwahlausschusses gebilligt hatten. Die Nominierten waren laut Grünen-Fraktionschefin Britta Hasselmann mit mehr als der Zweidrittelmehrheit auf die Vorschlagsliste gesetzt worden. Sie hatten also in dem zwölfköpfigen Wahlgremium mehr als die erforderlichen acht Stimmen erhalten (nämlich fünf Stimmen der CDU/CSU-Vertreter:innen, 2 der SPD und jeweils 1 von Grünen und Linken). Gegen die SPD-Kandidatinnen hatten allein die AfD-Abgeordneten votiert.
Würde die Vorschlagsliste zurückgezogen, würde das nicht nur das Bundesverfassungsgericht beschädigen, das nach einer vorangegangenen Nicht-Einigung im Bundestag im letzten Jahr den von CDU und CSU unterstützten Vorsitzenden Richter beim Bundesarbeitsgericht Günther Spinner zur Wahl empfohlen hatte. Es käme auch einem Einknicken gegenüber einer neuerlichen rechten Kampagne, nunmehr auch gegen die von der SPD ebenfalls nominierten Hochschullehrerin Ann-Kathrin Kaufhold (LMU München) gleich. Verschwörungstheoretiker operieren jetzt mit der absurden These, mit den neu zu wählenden Verfassungsrichtern plane die SPD auf der Basis einer Unterstützung durch das höchste deutsche Gericht einen "Staatsstreich“. Diese würden über das Bundeverfassungsgericht ein Verbot der AfD herbeiführen und dann - nach Ausscheiden der AfD aus dem Bundestag - mit Hilfe von Grünen und Linken - eine neue Bundesregierung etablieren wollen.